Die digitale Herausforderung für den Mittelstand

News 08/2022 – Aequitas Software
Digitale Transformation Unternehmen

Die digitale Transformation im Mittelstand

Die digitale Transformation im Unternehmen schreitet vielerorts voran. Auch im Mittelstand gibt es einige Unternehmen und Hidden Champions, die ihre digitale Reise bereits erfolgreich begonnen haben. Doch ist die Digitalisierung bereits auf breiter Basis im Mittelstand angekommen?

Nils Conradi, Geschäftsführer der AFFINITY und Frank Coërs, Geschäftsführer der Aequitas Software, berichten aus der Praxis, welche Herausforderungen sie in der digitalen Transformation insbesondere für mittelständische Unternehmen sehen und welche Faktoren für den digitalen Erfolg entscheidend sind.

Wie weit sind Deutschlands Unternehmen mit der Digitalisierung?

Nils Conradi: Um es kurz und knapp zu sagen: Sie sind alle auf dem Weg, der Startschuss ist überall längst erfolgt. Wir begleiten seit vielen Jahren Unternehmen in und durch die Digitale Transformation und haben im vergangenen Jahr ein umfangreiches Panel mit Kunden und Partnern durchgeführt. Das Ergebnis war ein starkes Signal des Mittelstands, der eine Art Aufholjagd begonnen hat.

Dabei muss man sich natürlich erst einmal klarmachen, worüber man spricht. Es gibt ja nicht „die“ Digitalisierung. Die Herausforderungen stellen sich je nach Branche und nach Unternehmen unterschiedlich dar. Daher ist es wichtig, die Komplexität aus dem Thema zu nehmen. Wenn wir mit Unternehmen über Digitale Transformation sprechen, konzentrieren wir uns auf sechs große Themenbereiche, um den Startpunkt des Unternehmens zu bestimmen und das Unternehmen selbst zu verorten.

Digitalisierung im Unternehmen_Grafik 1
Themenbereiche der Digitalen Transformation

Wir klären zunächst einmal ganz grundsätzlich: Gibt es bereits eine schriftlich fixierte IT- oder sogar Digitalstrategie? Danach vertiefen wir in einer gemeinsamen Diskussion, wie das Unternehmen kundenseitig aufgestellt ist, welche Partner es bereits eingebunden hat. Wir klären die technischen Rahmendaten – wie gut ist die IT im Unternehmen aufgestellt, wie ist es um die Kernsysteme bestellt? Außerdem wollen wir verstehen, ob bereits in irgendeiner Form Daten ausgewertet und automatisiert Analysen gefahren werden. Und schließlich befassen wir uns mit Aspekten des Internet of Things bzw. von Industrie 4.0.

Unser FOCUS-Panel hat dabei ergeben, dass gerade der Mittelstand schon viele Herausforderungen aktiv angenommen hat. Die meisten unserer Gesprächspartner sind schon jetzt auf dem Weg, Umsatzpotenziale und Geschäftsfelder deutlich zu erweitern.

Frank Coërs: Wir sehen bei unseren Kunden ein sehr heterogenes Bild, einige Unternehmen sind mit ihrer Digitalisierung bereits relativ weit fortgeschritten, andere sind noch am Anfang ihrer digitalen Reise. Im öffentlichen Sektor hat das Online-Zugangsgesetz dazu beigetragen, dass das die Digitalisierung in den Fokus rückt, denn Bund, Länder und Gemeinden sind durch das OZG verpflichtet, einen Teil ihrer Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten.

Aber auch im Gesundheitswesen, bei Versicherungen sowie im Energiesektor bewegt sich einiges. Digitalisierung und Automatisierung sind dabei eng miteinander verbunden. Robotic Process Automation (RPA) spielt hierbei eine Schlüsselrolle, denn durch Einsatz von Software Robotern können Unternehmen ihre Prozesse relativ schnell und einfach automatisieren. Nicht immer muss ein „echter“ Mitarbeiter fehlende Informationen manuell suchen und eintragen – das sind ideale Einsatzmöglichkeiten für einen Software Roboter, wodurch die Prozessdurchlaufzeiten spürbar erhöht werden. In Kombination mit Künstlicher Intelligenz ist RPA ein wichtiger Enabler der digitalen Transformation. Prozesse im Kundenservice können zum Beispiel durch KI und RPA um mehr als 90% automatisiert werden, wodurch Kunden von spürbar schnelleren Bearbeitungszeiten profitieren.

Wo liegen aktuell die größten Herausforderungen?

Nils Conradi: Wenn wir uns an den bereits genannten Feldern orientieren, sind das die Bereiche „Data & Analytics“, die Partner-Netzwerke und natürlich auch die eigene IT, die meist vor der Entscheidung steht, wieviel sie künftig noch selbst erledigen will, welche Dienste in die Cloud wandern, wo Software as a Service (SaaS) ansetzt. Bei Data & Analytics ist das Problem meist, dass zwar die technischen Voraussetzungen für automatisierte Datenanalysen geschaffen worden sind, aber es mangelt an konkreten Use Cases – wenn man einmal davon absieht, dass man mit den neuen Anwendungen schickere Reports erstellen kann. Und wirklich überraschend war für uns teilweise, wie zögerlich deutsche Unternehmen das Themenfeld der Partnerschaften angehen.

Wir orientieren uns hier am Plattform-Modell von Gartner – gemeint sind technische Plattformen als Grundlage für gemeinsame Ökosysteme, neue Geschäftsmodelle, Vertriebswege oder Marktplätze. Aus der Interaktion zwischen Unternehmen und Partnern können sich Netzwerkeffekte ergeben, die den Nutzen für alle Teilnehmer erhöhen. Das wird aber vielfach noch nicht als echtes Asset erkannt. Oft bestehen Vorbehalte, Marktbegleitern zu viel Einblick ins eigene Unternehmen zu geben. Aber darum geht es gar nicht.

Frank Coërs: Eine der größten Herausforderungen besteht darin, die eigenen Prozesse zu erkennen und zu verstehen. Viele Unternehmen sind jedoch noch nicht in der Lage, ihre bestehenden Daten zielgerichtet zu nutzen, um ihre Geschäftsprozesse zu analysieren. Process Mining bietet hohes Potential, um Prozesse im Unternehmen kritisch zu hinterfragen, Prozessdurchlaufzeiten zu messen und im Sinne der Customer Journey zu optimieren. Erst nach der Prozessoptimierung macht eine Automatisierung von Prozessen Sinn. Wenn beides gelingt, profitieren Unternehmen sowie Kunden von einer erhöhten Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und Sicherheit der Prozesse. Dieses Potential hat auch der Mittelstand mittlerweile für sich entdeckt.

Eine weitere Herausforderung besteht in vielen Unternehmen darin, dass Altsysteme historisch gewachsen sind, viele dieser Legacy-Systeme haben gar keine Schnittstellenanbindungen mehr. RPA ist hier eine wertvolle Brückentechnologie, die fehlende Schnittstellen schnell und einfach schaffen kann, ohne große Eingriffe in die IT-Infrastruktur.

Wie können sich Unternehmen am besten aufstellen?

Nils Conradi: Indem Sie mit uns sprechen. Nein, ernsthaft: Tatsächlich glauben wir, dass in einem ersten Schritt – wie schon erwähnt – die Komplexität aus dem Thema genommen werden muss. Ein Assessment wie das von AFFINITY hilft dabei, die Themenfelder einzeln zu betrachten. Gleichzeitig werden aber auch die Interdependenzen aufgezeigt. Wir haben beispielsweise die Implementierung eines Kundenportals im B2B-Bereich begleitet und konnten mit dem Assessment deutlich machen, dass das Kundenportal nur eine von vielen Facetten einer Kundenplattform ist. Und dass auch diese Plattform wiederum in Abhängigkeit steht – zum Beispiel zu „Data & Analytics“. Hätte der Kunde sich nur auf das neue Portal konzentriert, wären möglicherweise schon bald technische Rückbauten notwendig geworden, um Analytics an den Start bringen zu können.

Digitalisierung im Unternehmen_Grafik 2
Eigeneinschätzung der jeweiligen Kenntnisse

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die zunehmend hybride Struktur der IT-Organisation. Durch Cloud-Dienste und andere große externe Plattformen schwindet auf den ersten Blick der Einfluss der unternehmenseigenen IT. Letztlich ist aber das Gegenteil der Fall: Indem die Betriebs-IT das „Graubrot“ outsourct, kann sie sich gleichzeitig auf ihre neue Rolle konzentrieren. Und die spielt immer mehr auf der Kommandobrücke, weil die IT der Zukunft zum echten Erfolgsmotor des Business wird. Parallel zur Digitalen Transformation eines Unternehmens muss daher auch häufig die IT-Organisation transformiert und in die nächste Reifestufe begleitet werden. Das ist eine mehrjährige Roadmap, aber es gibt dabei auch Quick Wins.

Frank Coërs: Ich glaube, insbesondere im Mittelstand ist es wichtig, dass Unternehmen sich gegenüber der Digitalisierung noch mehr öffnen und das Potential erkennen – und nicht nur die damit verbundenen Herausforderungen. Aktuell können Unternehmen viele offenen Stellen nicht besetzen – digitale Mitarbeiter stehen quasi unbegrenzt zur Verfügung. Software Roboter arbeiten 24/7 und liefern Ergebnisse in einer zuverlässig hohen Qualität ab. Sie sind sicherlich nicht die Universal-Antwort zur Lösung des Fachkräftemangels, aber sie können Fachkräfte spürbar entlasten, ihnen Routinetätigkeiten abnehmen und dadurch mehr Freiraum für wertschöpfende Tätigkeiten schaffen.

Was empfehlen Sie darüber hinaus allen Unternehmen?

Frank Coërs: Menschen überschätzen in der Regel, was sie kurzfristig umsetzen können, und sie unterschätzen, was sie in 1.000 Tagen erreichen können – das gilt auch für die Digitalisierung. Erfolgreiche Digitalisierung baut auf den bestehenden, bekannten und bewährten Strukturen auf. Es geht darum, im Unternehmen zu schauen, was bereits vorhanden ist – von Werten über die Kultur, Know-how, Fertigungsmethoden bis hin zur Innovationskraft. Dies gilt es mit der digitalen Welt zu verknüpfen. Dazu gehört das Entwickeln neuer Geschäftsmodelle und Plattformen sowie neuer Produkte und Services. Wichtig ist dabei, eine von Anfang an transparente Kommunikation, die alle wichtigen Stakeholder abholt und einbindet. Wir beraten Geschäftsführer im Mittelstand auf Augenhöhe und entwickeln gemeinsam die individuelle Digitale Journey, maßgeschneidert für die jeweilige Branche.

Nils Conradi: Wenn ich noch einen Punkt hervorheben darf, ist es sicherlich die IT-Strategie: die eigene Rolle zu begreifen und eine Governance zu schaffen, mit der die IT in dieser hybriden Welt handlungsfähig bleibt. Mein Wunsch wäre: Wenn wir künftig an IT-Strategie denken, haben wir kein 100-Seiten-Pamphlet als Bild im Kopf. Sondern wir sehen eher eine Art offenes Geländerennen, denn die IT-Strategie ist ein fortlaufender Prozess und muss ständig gesteuert werden.

Mehr Informationen?

Die AFFINITY hat in einer Reihe von Gesprächen mit ausgewählten Kunden und Partnern das Thema Digitalisierung im Unternehmen mit einem breiten Fokus vertieft. Im Whitepaper „Deutschland Panel: Der Mittelstand holt auf“ finden Sie die zentralen Erkenntnisse und Entwicklungen sowie die Insights aus den Gesprächen: Hier gelangen Sie zum Whitepaper. 

Möchten Sie gerne mehr über die digitale Transformation und die Möglichkeiten von RPA in Ihrem Unternehmen erfahren? Oder mehr Informationen über Use Cases aus der Praxis? Wir informieren Sie gerne kostenlos und unverbindlich: Jetzt Termin reservieren!