„Manchmal reichen 5 Minuten tägliche Zeitersparnis für ein Lächeln“
Prozessautomatisierung bei Warsteiner
Haus Cramer Gruppe setzt auf RPA

Karsten Rösener, CDO der Haus Cramer Gruppe, zu der unter anderem die Marken Warsteiner und König Ludwig gehören, hat die Digitale Transformation des Unternehmens ganz oben auf die Agenda gesetzt.
Im Rahmen der Digitalisierungsbestrebungen hat er Anfang 2024 gemeinsam mit Aequitas Software als IT-Dienstleister die ersten Projekte zur Prozessautomatisierung mit Robotic Process Automation (RPA) im Unternehmen gestartet.
Im Interview zieht er eine erste Bilanz, was RPA bewirkt hat und welche Hürden es zu überwinden galt. Seine Zukunftsvision, eine eigene „Warsteiner GPT“-Plattform zu entwickeln, erläutert er ebenso wie die Fragen, welche Rolle KI und RPA zukünftig in der Haus Cramer Gruppe spielen werden und warum neben KPIs auch andere Faktoren, wie z.B. Mitarbeitermotivation, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung haben.
Freiraum für Projektarbeit schaffen

Warum haben Sie Robotic Process Automation bei der Haus Cramer Gruppe eingeführt?
Karsten Rösener: „Als ich im Februar 2024 als CDO angefangen habe, stand ein großes SAP-Projekt auf der Agenda. Es gab im Unternehmen 360 Applikation mit 75 Schnittstellen – plus Excel. Bei dieser Vielfalt der Systeme ist es wesentlich, dass eine Zielarchitektur integrierte und schlanke Prozesse abbildet.
Aber wie sieht überhaupt der idealtypische Prozess aus und wie setze ich ihn am besten um? Um idealtypische Prozess zu identifizieren und aufzusetzen, braucht es Zeit – und der Weg ist sicherlich an einigen Stellen durch Übergangsszenarien geprägt. Zeit brauchen vor allem unsere Mitarbeitenden, um sich auf das Projekt und Lösungsansätze zu konzentrieren und die erarbeiteten Lösungen erfolgreich zu etablieren.
Damit stellt sich die Frage: Wie können Prozesse gerade in der aktuellen Systemlandschaft integrierter, automatisierter und digitalisierter laufen? Meine Antwort darauf war Robotic Process Automation (RPA).“
Wie ist RPA im Unternehmen aufgenommen worden? Gab es Widerstand oder Bedenken?
Karsten Rösener: „Aus anderen Projekten kannte ich bereits RPA und die Möglichkeiten, die es bietet. Bei der Haus Cramer Gruppe ging es zunächst darum, ein grundlegendes Verständnis und die Akzeptanz für RPA zu schaffen und zu zeigen, was eine Automatisierung durch RPA bewirken kann. Gemeinsam mit dem Team der Aequitas Software haben wir ein RPA-Konzept entwickelt, das wir dem Management Team und dann sukzessive den Fachabteilungen präsentiert haben.
Sehr schnell kamen wir dann gemeinsam zu der Erkenntnis, dass RPA für uns viele Herausforderungen lösen kann. Wir beschleunigen nicht nur Prozesse, sondern entlasten vor allem Mitarbeitende, um Freiraum für die umfassenden Projektarbeiten zu schaffen.
Daher haben wir – und tun dies noch heute – intern gemeinsam mit den Fachbereichen Prozesse identifiziert, die sich für eine Automatisierung mittels RPA eignen. Das ehemals sehr große SAP-Projekt haben wir schließlich in viele kleinere aufeinander aufbauende Projekte aufgeteilt. Dabei werden wir viele Applikationen sukzessive ablösen und in SAP integrieren. Eines der Projekte auf unserer Roadmap ist das übergreifende RPA-Projekt.“
Vorschläge zeigen hohes Automatisierungs-potenzial
Wie sah der Roll-Out von RPA bei der Haus Cramer Gruppe aus?
Karsten Rösener: „In internen Sessions mit den Fachbereichen haben wir RPA und beispielhafte Prozesse gezeigt, verbunden mit der Aufgabe, weitere geeignete Prozesse für eine Automatisierung zu identifizieren und zu skizzieren. Wichtig ist, dass diese repetitiv sind und klaren Standardabläufen folgen.
Im Laufe der RPA-Implementierung haben wir ein Center of Excellence mit Unterstützung der Aequitas Software aufgebaut. Auf unserer Plattform sammeln wir in einer Datenbank die identifizierten Vorschläge bzw. Use Cases aus den Fachbereichen. Ausreichend Automatisierungspotenzial sehen wir auf jeden Fall, da aus vielen Bereichen – von Finanzen über Vertrieb, Vertriebsinnendienst und Produktion bis zum Einkauf – immer wieder neue Vorschläge und Ideen zu Use Cases kommen, die wir dann prüfen und umsetzen. Das reicht von der Automatisierung von halbautomatischen Schnittstellen, über Testautomatisierungen, Datenmigrationen von internen und externen Quellen bis zu Berichten, die nach Excel importiert, dort weiterbearbeitet und verschickt werden.“
Wie managen Sie die Vorschläge für eine Prozessautomatisierung?
Karsten Rösener: „Jeder Use Case durchläuft ein internes Bewertungsverfahren, in dem wir zunächst die generelle RPA-Eignung prüfen. Manchmal sind in einzelnen Prozessschritten – zumindest noch – menschliche Entscheidungen erforderlich, so dass eine Automatisierung nicht in Frage kommt. Diese Prozesse leiten wir an das SAP- oder Microsoft-Team weiter, um zu schauen, inwieweit wir die Software optimieren können.
Danach prüfen wir, welchen Nutzen- und Wertbeitrag die Automatisierung des Use Cases liefern würde. Wir haben dazu eine Kennzahl entwickelt, die sich aus mehreren Kriterien, wie z.B. der geschätzten Zeitersparnis, errechnet.
Diese Daten werden in unserem KANBAN Board erfasst und auch berechnet. Basierend auf der errechneten Kennzahl können wir die einzelnen Projektvorschläge einfach, effizient und für den Fachbereich transparent priorisieren und umsetzen.“
Software Roboter sorgen für Entlastung – und manchmal für ein Lächeln
Was war der erste Prozess, den Sie mit RPA automatisiert haben?
Karsten Rösener: „Einer der ersten Prozesse, die wir automatisiert haben, war ein Use Case aus den Bereichen Controlling und Produktion der Brauerei. Es ging um das Reporting und die Weiterverarbeitung von Arbeitszeiten – ein Prozess, der ideal für RPA geeignet ist, da er sich über verschiedene Systeme und Abteilungen erstreckt und regelmäßig größere Datenmengen übertragen und ausgewertet werden.
Der Prozess lag zuvor in der Verantwortung eines Mitarbeitenden, der die Daten aus den verschiedenen Systemen gesammelt und ausgewertet hat, bevor er sie in unser KPI-Dashboard übertragen hat. Der Zeitaufwand lag bei ca. 20 Minuten pro Woche.
Neben der Zeitersparnis und der Entlastung des Mitarbeitenden besteht ein weiterer Vorteil der Automatisierung darin, dass die Daten zuverlässig montags um 10 Uhr im Dashboard zu Verfügung stehen, unabhängig von geplanten oder ungeplanten Abwesenheiten.“
Können Sie einschätzen, wieviel Zeit die Haus Cramer Gruppe insgesamt durch die Einführung von RPA einspart?
Karsten Rösener: „Anhand einer konkreten Zahl kann ich das nicht beziffern, da wir diesen KPI nicht explizit auswerten. Es gibt viele repetitive Aufgaben, die hin und wieder gar nicht so viel Zeit erfordern, die aber aufgrund ihres monotonen und repetitiven Charakters Mitarbeitende frustrieren und daher die Motivation negativ beeinflussen.
Manchmal reichen schon 5 Minuten tägliche Zeitersparnis, um ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, wenn eine nervige Aufgabe entfällt, die der Software-Roboter übernimmt.“
Quick Win-Prozesse zuerst automatisieren
Welche Projekte stehen oben auf der Agenda zur RPA-Implementierung?
Karsten Rösener: „Gestartet sind wir zunächst mit den Quick Win-Prozessen, also Prozessen, die relativ leicht und schnell zu automatisieren sind und einen hohen Nutzen liefern. Hierzu gehören vor allem Aufgaben im Rahmen des Reportings in den einzelnen Fachbereichen, Stammdatenpflege, Mahnlisten bei überfälligen Lieferungen sowie die Berechnung von Kennzahlen.“

Wie viele RPA-Projekte setzen Sie monatlich um?
Karsten Rösener: „Bisher haben wir etwa 30 Prozesse mit RPA automatisiert und realisieren monatlich ca. weitere 5-10 RPA-Projekte. Der Engpassfaktor bei der Umsetzung ist aktuell noch der IT-Bereich, weil wir natürlich neben RPA auch andere IT-Projekte auf der Agenda haben.
Unser Ziel ist es daher, Mitarbeitende aus den Fachbereichen so weiterzuentwickeln, dass diese auch in die Lage versetzt werden, RPA-Projekte weitestgehend selbständig umzusetzen.“
Die Datenqualität spielt eine entscheidende Rolle
Welche Vorteile hat RPA dem Unternehmen gebracht?
„Neben der gestiegenen Mitarbeiterzufriedenheit und der Zeitersparnis laufen unsere automatisierten Prozesse zuverlässig ab, so dass Nacharbeiten, die vorher oftmals erforderlich waren, nun wegfallen.
Der Software-Roboter kann natürlich nur das verarbeiten, was er als Input geliefert bekommt – und wenn der Input fehlerhaft ist, ist auch der Output fehlerhaft. Daher rücken bei uns noch mehr die Themen Datenqualität und damit die Stammdatenpflege in den Fokus, um die Qualität des Inputs zu verbessern.“
Welche Rolle hat Aequitas Software bei der Einführung von RPA gespielt?
„Das Team der Aequitas Software hat den ersten Software Roboter für uns gebaut und damit den ersten Prozess automatisiert. Insbesondere zu Beginn der RPA-Implementierung hat Aequitas Software uns maßgeblich beim internen Roll-Out, z.B. in Meetings mit den Fachbereichen, unterstützt und begleitet.
Im Rahmen eines umfassenden Training on the Job hat Aequitas Software uns in einer Rekordzeit dabei unterstützt, internes RPA-Know-How und damit unser Center of Excellence aufzubauen, so dass wir heute in der Lage sind, Prozesse weitgehend selbständig mit RPA zu automatisieren und nur noch in Einzelfällen Unterstützung benötigen.
Am Anfang hat das Team der Aequitas Software 90% der Arbeit gemacht und wir 10% – heute ist das Verhältnis genau andersherum.“
Zukunftsvision: „Warsteiner GPT“-Plattform
Wie sehen Ihre weiteren Digitalisierungspläne aus?
„Aktuell erarbeiten wir eine KI-Strategie. Die Herausforderung hierbei ist, KI für die Haus Cramer Gruppe nutzbar zu machen. Jeder hat heute von Chat GPT gehört und arbeitet vielleicht damit, aber die Frage ist, welche KI-Anwendungen machen wirklich Sinn und bieten einen Mehrwert?
Unser Tochterunternehmen, die Bierothek, setzt z.B. auf ihrer Website bereits einen digitalen Biersommelier ein, der Besuchern dabei hilft, in 30 Sekunden das neue Lieblingsbier zu finden.
Nach der erfolgreichen Einführung von RPA gehen wir den nächsten, visionären Schritt: Intelligent Process Automation (IPA) – die Verschmelzung von RPA, KI und autonomen Agents. Unsere Zukunftsvision ist es, eine eigene „Warsteiner GPT“-Plattform zu entwickeln, die nahtlos mit einem intelligenten, automatisierten Ticketsystem verknüpft ist.“
Was bedeutet das konkret?
Stellen Sie sich eine IT-Landschaft vor, in der jedes eröffnete Ticket von einer KI analysiert, das Problem selbstständig identifiziert und basierend auf einer umfassenden Wissensbasis den optimalen Lösungsweg vorschlägt. Ein Software-Roboter setzt die Lösung dann in Echtzeit um. Wir gehen davon aus, dass bis zu 90% aller Anfragen automatisiert bearbeitet werden können – schneller, präziser und ressourcenschonender als je zuvor.
Doch das ist erst der Anfang. Die Möglichkeiten von IPA reichen weit über das heutige Denken hinaus. Wir stehen vor einer Zukunft, in der Unternehmen nicht mehr reagieren, sondern proaktiv agieren – durch selbstlernende, adaptive Systeme, die Probleme lösen, bevor sie entstehen.
Für uns bedeutet diese Entwicklung nicht nur Effizienzsteigerung, sondern auch die Chance, unseren Teams den Freiraum zu geben, sich auf strategische Projekte und Innovationen zu konzentrieren. Denn eines ist sicher: Auch die IT-Berufe der Zukunft werden völlig neue Kompetenzen erfordern – und viele der Jobprofile, die wir in 10 Jahren brauchen, existieren heute noch gar nicht.
Aber eine Sache bleibt konstant: Alles, was automatisiert werden kann, wird automatisiert. Die Frage ist nicht ob, sondern wie schnell wir es umsetzen. Und wir bei der Haus Cramer Gruppe haben eine klare Antwort darauf.“
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