Ein Amt auf dem Weg zur digitalen Verwaltung
Prozessautomatisierung im Landratsamt Landshut
RPA im ÖGD:
Digitales Amt Landshut
Die öffentliche Verwaltung steht vor großen Herausforderungen: der demografische Wandel verstärkt den Fachkräftemangel, gleichzeitig wachsen die Anforderungen an die Servicequalität und Effizienz. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, setzt das Landratsamt Landshut, das bereits als „Digitales Amt“ ausgezeichnet worden ist, auf eine konsequente Digitalisierungsstrategie. Ein zentraler Baustein dabei ist die Automatisierung administrativer Prozesse durch den Einsatz von Software-Robotern, die Routineaufgaben übernehmen und so Mitarbeiter entlasten.
Doch was bedeutet diese Entwicklung für die Beschäftigten – wie verändert sich ihre tägliche Arbeit und welche Vorteile ergeben sich für die Bürgerinnen und Bürger? In unserem Interview sprechen Carina Weinzierl, die als Pressesprecherin und Leiterin der Stabstelle „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, E-Government“ die digitale Transformation des Landratsamtes mit vorantreibt, und Kerstin Schaumberger, Digitalisierungsmanagerin im Gesundheitsamt Landshut, über ihre Erfahrungen aus Digitalisierungsprojekten und dem Einsatz von RPA im ÖGD, erzielte Ergebnisse und die Herausforderungen auf dem Weg dorthin.
Herausforderung fehlender Schnittstellen

Welche Rolle spielt die Prozessautomatisierung mit RPA bei der digitalen Transformation des Landratsamts Landshut?
Carina Weinzierl: „Durch das Onlinezugangsgesetz und das bayerische Digitalgesetz sind wir verpflichtet, unsere Dienstleistungen online anzubieten und einen definierten Digitalisierungsgrad zu erreichen. Die Auszeichnung „Digitales Amt“ haben wir 2023 vom bayerischen Digitalministerium verliehen bekommen, so dürfen sich bayerische Kommunen bezeichnen, die mindestens 50 kommunale und zentrale Online-Verfahren im sogenannten BayernPortal verlinkt haben. Das haben wir relativ schnell erreicht, mittlerweile bieten wir ca. 635 Leistungen und 126 Online-Verfahren über das Portal an.
Die Antragstellung online anzubieten ist allerdings lediglich der erste Schritt, ebenso wichtig ist es, was danach passiert. Wir haben im Landratsamt mehr als 200 Fachverfahren im Einsatz. Beim Eingang und der Verarbeitung der Anträge bis hin zum Bescheid für die Bürgerinnen und Bürger stehen wir oft vor der Herausforderung, dass Schnittstellen fehlen, um die Daten von einem ins andere System zu übertragen. Hier leisten RPA und der Einsatz von Software-Robotern einen wesentlichen Beitrag zur Lösung.“
Welchen Vorteil bietet der Einsatz von RPA im ÖGD bei fehlenden Schnittstellen?
Carina Weinzierl: „Mit unseren 126 Online-Verfahren sind wir zwar schon gut aufgestellt, aber die Herausforderungen liegen wie gesagt in der Verarbeitung, nachdem der Antrag online eingegangen ist. Bei einigen Fachverfahren gibt es bereits Schnittstellen zu unserem Dokumenten-Management-System oder zu unserer Formular-Software, aber es gibt auch Fachprogramme, die diese Schnittstellen nicht anbieten.
Bei der manuellen Übertragung der Daten von einem ins andere System passieren immer wieder Übertragungsfehler – sehr menschlich bei sehr monotonen Aufgaben. Hier wollen wir zukünftig verstärkt Software-Roboter einsetzen, um unsere Mitarbeitenden von diesen Aufgaben zu entlasten. Gleichzeitig können wir durch RPA die Prozesse beschleunigen und Übertragungsfehler vermeiden.“
Software-Roboter im Landratsamt Landshut
In welchen Bereichen setzen Sie bereits Software-Roboter ein?
Kerstin Schaumberger: „Im Gesundheitsamt haben wir im Oktober 2023 begonnen, gemeinsam mit dem Team der Aequitas Software den Prozess der Schuleingangsuntersuchung zu automatisieren.
Im Mai 2024 haben wir noch einen Prozess im Infektionsschutz automatisiert, und zwar das Importieren und Bearbeiten von digitalen Influenzameldungen. Der Software-Roboter übernimmt hier die Übertragung von fallrelevanten Daten, die vorher manuell gemacht wurde. Anschließend werden die Daten über das Programm SurvNet an das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) übermittelt. In der Grippezeit haben wir bis zu 3.000 Fälle, die bearbeitet werden müssen. Durch die Automatisierung sind wir jetzt bestens vorbereitet, auch wenn es mal wieder eine heftige Infektionswelle geben sollte.“
Carina Weinzierl: „Die Schulen in Landshut sind verpflichtet, monatlich ihre Schülerlisten an uns zu melden. Hintergrund ist, dass der Landkreis für Schüler, die im Landkreis Landshut wohnen, aber z.B. eine weiterführende Schule in der Stadt besuchen, einen sogenannten Gastschulbeitrag entrichten muss.
Mit dem Abgleich der Listen ist bei uns ein Auszubildender ca. 1 Woche beschäftigt. Ende 2024 haben wir diesen Prozess mit RPA automatisiert und an einen Software-Roboter übergeben, der den Abgleich innerhalb von Minuten erledigt. Das ist eine spürbare Entlastung, denn der Datenabgleich ist eine sehr monotone Aufgabe. Jetzt kann unser Auszubildender andere Aufgaben übernehmen, die nicht nur interessanter sind, sondern auch zu seiner persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung beitragen.“
RPA im ÖGD sorgt für Entlastung

Was waren Ihre Erwartungen an RPA? Und inwieweit sind diese erfüllt worden?
Kerstin Schaumberger: „Wir haben 2023 den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst komplett neu aufgestellt und eine neue Fachanwendung eingeführt, verbunden mit völlig neuen Prozessen. Bei der Analyse und Erarbeitung der neuen Prozesse haben wir bereits festgestellt, dass in einer Prozessautomatisierung großes Potenzial liegt, um unser Team zu entlasten.
Im Schuljahr 2025/2026 haben wir ca. 2.500 Kinder, die zur Schuleingangsuntersuchung eingeladen werden. Das wäre für die acht Kolleginnen, die für die Untersuchungen zuständig sind, sowie für die Kollegin in der Verwaltung nicht machbar gewesen bzw. hätte es um ein Vielfaches länger gedauert.
Im November 2024 sind wir von einem Attended Bot auf einen Unattended Bot umgestiegen, das hat für uns nochmal einen großen Sprung nach vorne bedeutet, weil dieser nun ohne Unterbrechung 24/7 im Einsatz ist. Auch am Wochenende startet der Bot und prüft, ob Termine reingekommen sind, arbeitet seinen Prozess ab und verschickt eine Report-E-Mail. Dadurch werden alle Termine zeitnah bearbeitet und es gibt keinen Stau mehr, wie es beim Unattended Bot zum Teil der Fall war.
Unsere Erwartungen an RPA waren vor allem, die Mitarbeitenden zu entlasten, unsere Effizienz zu steigern und Bearbeitungszeiten zu verkürzen – diese Erwartungen sind alle erfüllt worden.“
Der Software-Roboter verarbeitet die Daten doppelt so schnell
Wie haben Sie den Prozess der Schuleingangsuntersuchung automatisiert?
Kerstin Schaumberger: „Zur Organisation der Schuleingangsuntersuchung werden wöchentlich ca. 150 bis 300 Einladungen an die Erziehungsberechtigten versandt, je nachdem, wie viele Termine frei sind. In der Regel werden die Termine drei Monate im Voraus vergeben.
Die Einladungen werden per Post verschickt. Im Anschreiben ist ein QR-Code integriert, über den die Angehörigen sich mit einem Passwort einloggen und online einen Termin buchen können – ca. 95% nutzen diese Möglichkeit zur Online-Buchung. Kinder, die bereits eine U9-Untersuchung hatten, benötigen ein Schulscreening, das unsere Sozialmedizinischen Assistenten (SMA) durchführen. Alle anderen Kinder benötigen eine schulärztliche Untersuchung, die von einer Amtsärztin bzw. einem Amtsarzt durchgeführt werden muss.
Bei der Online-Anmeldung können die Erziehungsberechtigten freiwillig einen Anamnesebogen ausfüllen, in dem sie ca. 35-40 Fragen zum Kind beantworten, z.B. Anzahl Geschwister, Seh- oder Hörschwierigkeiten oder Allergien. Falls Fragen unbeantwortet bleiben, werden diese Fragen im Rahmen der Untersuchung geklärt.
Nach Abschicken der Daten und Buchen eines Termins erhalten die Erziehungsberechtigten eine Terminbestätigung, in unserem Sammelpostfach erhalten wir gleichzeitig die identische Terminbestätigung. Das ist der Punkt, an dem sich der Software-Roboter in den Prozess einklinkt. Er öffnet die Mail und identifiziert zunächst, ob es sich um eine Neuanmeldung, eine Terminstornierung oder -verschiebung handelt.
Die E-Mail enthält neben dem Termin nähere Angaben zum Kind, wie z.B. die ID-Nummer, Vor- und Nachname, Geburtsdatum und den besuchten Kindergarten. Der Software-Roboter prüft, ob es sich um ein Schulscreening oder eine schulärztliche Untersuchung handelt, öffnet die Fachanwendung Äskulab21, sucht das Kind über die ID-Nummer und überträgt alle relevanten Daten inklusive Untersuchungstermin sowie den Raum und hinterlegt in der Fachanwendung den Anamnesebogen.“
Wie groß ist die Zeitersparnis in diesem Prozess durch die Automatisierung?
Kerstin Schaumberger: „Wenn ein Mitarbeiter all diese Daten auslesen und übertragen würde, inklusive der Fragen aus dem Anamnesebogen, würde es pro Datensatz durchschnittlich acht bis zehn Minuten dauern – der Software-Roboter braucht dafür etwa die Hälfte der Zeit.“
Greifen Mitarbeiter gelegentlich noch manuell in den Prozess ein?
Kerstin Schaumberger: „Wir führen ca. alle zwei Tage stichprobenartige Überprüfungen durch, um sicherzustellen, dass alles läuft. Die Qualität der Datenübertragung hat sich spürbar verbessert – bei der Übertragung von so vielen Einzeldaten auf manuellem Wege ist die Gefahr von Flüchtigkeitsfehlern natürlich groß, und die macht der Software-Roboter nicht.
Die Kolleginnen sind sehr zufrieden mit dem Software-Roboter, er ist mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Da der Prozess viel aufwändiger und komplexer geworden ist, hätten wir ohne die Automatisierung eine zusätzliche Vollzeitstelle schaffen müssen.“
Standardisierte, häufige Abläufe sind ideal für RPA im ÖGD
Wie zeitintensiv und anspruchsvoll ist eine Prozessautomatisierung für das Team intern?
Kerstin Schaumberger: „Wichtig ist zunächst einmal, dass die beteiligten Mitarbeiter sich mit der Fachanwendung und dem Prozess auskennen und vor allem während der Programmierung des Software-Roboters immer mindestens ein qualifizierter interner Ansprechpartner für Fragen und Entscheidungen zur Verfügung steht.
Zuvor sollte man sich auf jeden Fall die Zeit nehmen, den Prozess richtig zu durchdenken und zu dokumentieren, am besten in Form einer Schritt-für-Schritt-Anleitung. Bis der Software-Roboter genau das macht, was wir uns vorstellen, braucht es etwas Zeit. Wie lange genau, ist von der Komplexität des jeweiligen Prozesses anhängig.“
Carina Weinzierl: „Durch unsere bereits umgesetzten RPA-Projekte und die enge Zusammenarbeit mit den RPA-Experten der Aequitas Software haben wir mittlerweile internes Know-How aufgebaut, so dass wir immer besser darin werden, neue Projekte zu identifizieren und zu bewerten, ob sie sich für eine Automatisierung eignen. Die Prozesse müssen nicht nur einem standardisierten Ablauf folgen, sondern sie sollten auch mit einer gewissen Häufigkeit ablaufen, damit sich eine Automatisierung rechnet.“
Förderungen zur Digitalisierung des ÖGD
Inwieweit setzt das Landratsamt auf Förderungen, um die Digitalisierung voran zu treiben?
Kerstin Schaumberger: „Das Gesundheitsamt nimmt am ersten Förderaufruf zur Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes teil. Bereits zu Beginn der Projektplanung im Frühjahr 2022 stand fest, dass die Anschaffung eines RPA-Bots eine der ersten Maßnahmen sein würde. Zusätzlich wurden weitere Maßnahmen zur Verbesserung der IT-Ausstattung ergriffen, darunter die Bereitstellung neuer Notebooks und Scanner für die Kolleginnen und Kollegen. Diese Maßnahmen schaffen die notwendigen Voraussetzungen, um den Übergang von Papierakten zu digitalen Akten zu ermöglichen.“
Carina Weinzierl: „Im Gesundheitsamt sind die Anforderungen da deutlich strikter durch die Förderung, in allen anderen Ämtern sind wir unabhängig von Fördergeldern und dadurch in der Lage, flexibler und passend zu unseren Anforderungen und Bedürfnissen zu agieren.
Wir arbeiten sehr eng mit dem Gesundheitsamt zusammen und lernen bei der Automatisierung und Digitalisierung sehr viel voneinander. Das Gesundheitsamt hat durch seine Vorreiterrolle bereits wertvolle Vorarbeit geleistet und die Türen für RPA geöffnet. Die Übertragung auf andere Prozesse, in denen wir den Software-Roboter zusätzlich einsetzen wollten, war dadurch deutlich leichter.“
Wie weit ist der Landkreis Landshut in Hinsicht auf den digitalen Reifegrad?
Carina Weinzierl: „In Hinsicht auf den Digitalen Reifegrad stehen wir aktuell nach unserer eigenen Einschätzung bei ungefähr 2, aber wir möchten uns Richtung 4 entwickeln. Die Voraussetzung für Reifegrad 4 ist, dass sowohl die Digitale Antragstellung als auch der Digitale Bescheid umgesetzt werden.
Das bayerische Digitalgesetz sieht jedoch vor, dass unabhängig von der digitalen Lösung auch die analoge Antragstellung weiterhin vorgehalten werden muss. Das ist ein Hemmschuh für uns, weil wir in der Verwaltung beides vorhalten müssten, was natürlich mit einem hohen Ressourcenaufwand verbunden ist.“
Druck zur Veränderung und Automatisierung ist spürbar
Gab es in Ihrer Verwaltung Bedenken, als der erste Software-Roboter eingesetzt wurde?
Kerstin Schaumberger: „Bei der Schuluntersuchung war der Druck zur Veränderung sehr hoch, denn es war klar, dass der komplexe und zeitintensive Prozess in dieser Form nicht mehr zu bewältigen ist, sodass die Bereitschaft zur Digitalisierung und Automatisierung von Anfang an da war. Nach der Automatisierung war der Mehrwert direkt spürbar und die Reaktion bei allen Beteiligten entsprechend positiv.
Im Infektionsschutz war am Anfang etwas mehr Überzeugungsarbeit erforderlich, hier konnten wir jedoch den Einschulungsprozess als Erfolgsstory nutzen und konkret aufzeigen, was der Bot macht und wie er es macht, dadurch konnten wir viele Fragen und Bedenken frühzeitig ausräumen. Jetzt, wo der Prozess automatisiert worden ist und läuft, ist das Team begeistert.
Unsere Erfahrung zeigt, dass je mehr Beispiele wir aus der Praxis zeigen können, desto mehr wächst das Verständnis im Team und damit auch die Unterstützung für Automatisierung. Denn letzten Endes geht es ja auch darum, weitere Prozesse zu identifizieren, die sich für eine Automatisierung eignen.“
Carina Weinzierl: „Der demografische Wandel beschleunigt auch in der Verwaltung die Digitalisierung und Automatisierung. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen aus der Baby Boomer-Generation verabschieden sich aus dem Arbeitsleben, sodass einerseits der Fachkräftemangel spürbarer und die Neubesetzung von Stellen zur Herausforderung werden, gleichzeitig rücken aber auch viele Jüngere nach, für die Digitalisierung selbstverständlich ist und die keine Berührungsängste mit diesem Thema haben.“
KI wird in der Verwaltung eine wichtige Rolle spielen
Wie sehen Ihre weiteren Digitalisierungspläne aus?
Carina Weinzierl: „Ein aktuelles Thema ist die Terminvereinbarung, für die wir anders als im Gesundheitsamt eine spezielle Software einsetzen, hier hakt es noch an der Schnittstelle zur Formularsoftware. Zudem beschäftigen wir uns sehr intensiv mit den Einsatzmöglichkeiten von KI im Landratsamt, unter anderem mit dem Einsatz eines Chatbots, um unseren Bürgerinnen und Bürgern rund um die Uhr bei ihren Anliegen und Anfragen weiterhelfen zu können.
Unser Ziel ist es, unser Wissen und unsere Erfahrungen in diesem Jahr weiter auszubauen, sodass wir zukünftig auch mit eigenen Ressourcen in der Lage sind, RPA-Projekte vorzubereiten und umzusetzen. Das gibt uns die Möglichkeit, auch in Zeiten schwieriger Haushaltslagen die Automatisierung und Digitalisierung in unserem Hause schneller vorantreiben zu können.“
Entdecken Sie die Möglichkeiten von RPA!
Möchten Sie noch mehr über die Möglichkeiten von RPA in Ihrem Unternehmen erfahren? Melden Sie sich zu unserem RPA-Discovery Workshop an!