Corona, komplexe IT-Projekte & Co.: Risiko oder Chance für kleine IT-Beratungen?
News 12/2020 – Aequitas SoftwareSoftware-Experten im Gespräch: Software- und IT-Projekte – was sind die Trends?
Corona hinterlässt derzeit sichtbare Spuren in vielen Branchen. Auch die Software- und IT-Branche bleiben davon nicht unberührt. Hat die Pandemie dazu beigetragen, dass das Thema Digitalisierung in Unternehmen weiter nach oben auf die Agenda gerutscht ist? Mit Blick auf Software- & IT-Projekte – welche Trends gibt es und welche sind auch zukünftig relevant? Es gibt viele Fragen, auf die Unternehmen heute und in Zukunft Antworten finden müssen.
Norbert Spangenberg, Geschäftsführer der Aequitas Software, und Patrick Postel, Geschäftsführer der Softwareallianz Deutschland (SAD), haben sich zu den aktuellen Entwicklungen in der Software- und IT-Branche im Experteninterview ausgetauscht. Geplant war es als persönliches Interview, angesichts der aktuellen Pandemie-Entwicklung haben wir das Treffen jedoch virtuell abgehalten. Lesen Sie im Interview, wie die beiden die Auswirkungen der Pandemie auf IT-Projekte beurteilen, was sie über „New Work“ denken und was sie ganz persönlich aus der Corona Krise gelernt haben.
Beschleunigt die Pandemie die Digitalisierung?
Norbert Spangenberg: Zwangsläufig ja. Die mutigen Unternehmen investieren jetzt antizyklisch in die Digitalisierung. Wann, wenn nicht jetzt? In Italien, wo die Auswirkungen der Corona Krise am Anfang ja sehr stark zu spüren waren, sind die digitalen Vertragsabschlüsse in der Versicherungsbranche seitdem um 30% gestiegen – das ist für mich exemplarisch. Ich denke, viele Unternehmen haben derzeit keine Alternative zur Digitalisierung, um ihre Mitarbeiter und Kunden weiterhin in wertschöpfende Prozesse einzubinden.
Patrick Postel: Das kann ich nur bestätigen. Im Moment beobachten wir zwar noch, dass viele Unternehmen abwarten, wie sich die Dinge entwickeln und größere geplante IT-Projekte zurückstellen. Das Thema Digitalisierung wird aktuell von vielen Kunden ernsthafter betrachtet, auch wenn es sich noch nicht in spürbar in der Auftragslage widerspiegelt. Die Digitale Transformation ist für alle Unternehmen in Deutschland echtes Neuland, diesen Kraftakt können wir nur miteinander erfolgreich bewältigen. Und zwar durch den Austausch von Erfahrungen – Positiven ebenso wie Negativen. Nur so können wir daraus lernen und uns gegenseitig stärken.
Die Pandemie hat sicherlich dazu beigetragen, dass viele Unternehmen, gerade auch im Mittelstand, sich mit dem Thema stärker auseinandersetzen. Ich bin sicher, dass sich dieser Trend in den nächsten Monaten noch verstärken wird. Es wird ja gerade intensiv darüber diskutiert, ob der Wechsel von Mitarbeitern ins Home-Office eventuell eine dauerhafte Alternative sein kann. In diesem Umfeld kommt der Digitalisierung eine ganz neue Rolle zu – es geht nicht mehr um „nice to have“, sondern „must have“.
Home-Office als Arbeitsmodell der Zukunft?
Norbert Spangenberg: Das Thema „New Work“ hat durch Corona einen großen Schub erhalten. Viele arbeiten heute aus dem Home-Office, als ob es nie anders gewesen wäre. Diejenigen, die dem Thema vorher skeptisch gegenüberstanden, sehen nun, dass es gut funktioniert. Wir spüren das derzeit unter anderem in einer verstärkten Nachfrage nach unseren Lösungen für die elektronische Unterschrift, die bei dezentral organisierten Teams im Home-Office den Arbeitsalltag enorm vereinfacht.
In der IT gab es immer schon ganze Teams, die virtuell in IT-Projekten zusammengearbeitet haben. Dort ist das Thema nicht wirklich neu. Andere Branchen und Organisationen, die diese Art der virtuellen Zusammenarbeit noch nicht kannten, haben die Vorteile mittlerweile auch für sich entdeckt.
Patrick Postel: Die Art und Weise, wie Programmierung heute funktioniert, ist aus meiner Sicht wegweisend für die Zukunft der Arbeit. Teams arbeiten in IT-Projekten effizient von unterschiedlichen Standorten in verschiedenen Ländern zusammen, wie zum Beispiel bei der Open Source Software, die global in unterschiedlichen Ländern von unterschiedlichen Menschen in unterschiedlichen Zeitzonen entwickelt worden ist. Sie zeigt, wie Unternehmen grundsätzlich zusammenarbeiten können, wenn sie wollen. Open Source ist in dieser Hinsicht ein guter Blueprint für die Zukunft.
IT-Projekte werden komplexer – wie sieht Ihre Antwort darauf aus?
Patrick Postel: Wir erleben vor allem im Bereich der wertschöpfenden IT-Projekte in großen Unternehmen, dass diese zunehmend komplexer werden und eine zunehmend breitere und tiefere Expertise voraussetzen. Es geht nicht mehr nur um reine Software-Einführungen, sondern um Design-Ansätze und um das intelligente Verbinden von Systemen. Bei den 500 Top Unternehmen in Deutschland müssen die IT-Projekte zudem global ausgerollt werden. Das sind Projekte, an denen einige hundert Mitarbeiter beteiligt sind. Bei großen Softwareprojekten entscheidet aber nicht nur die Programmierung allein über den Erfolg des Projektes – genauso wichtig ist es, die damit verbundenen neuen Prozessabläufe im Unternehmen zu etablieren und dafür Akzeptanz zu schaffen.
Mittelständische Dienstleister könnten in diesen IT-Projekten einen großen Wertbeitrag leisten. Gleichzeitig sind Projekte dieser Größenordnung aber häufig schwer zugänglich für die vergleichsweise kleinen IT-Dienstleister. Das möchten wir ändern, indem wir unter dem Dach der Software Allianz Deutschland (SAD) ein Netzwerk von innovativen, kleineren IT-Dienstleistern bilden. Gemeinsam verfügen wir über die erforderliche Expertise und können diese IT-Projekte auch personell abbilden, was dem einzelnen Partner der SAD heute eher verwehrt bleiben würde.
Norbert Spangenberg: Ich finde den Ansatz der SAD absolut richtig, über die Bündelung der Kräfte die großen Unternehmen mehr in die Pflicht zu nehmen und sie dazu zu bewegen, mehr für die kleinen, innovativen IT-Dienstleister zu tun. Die großen Vermittler von Experten für IT-Projekte unterstützen mit ihrem „Body Leasing“-Ansatz keine echten Innovationen bei den Kunden. Die kommen von den innovativen IT-Dienstleistern und Start-Ups, daher sollten sie auch die Chance bekommen, in die großen IT-Projekte zu gelangen. Und zwar ohne direkt an der Sourcing Barriere zu scheitern – Innovation statt PDF-Profile sozusagen.
Patrick Postel: Man liest in den Medien viel von der Innovationskraft des Mittelstandes. Wenn man sich aber mal die großen Unternehmen anschaut, fragt man sich, wieso diese Innovationskraft dort nicht ankommt. Das hängt sehr stark mit der Einkaufspolitik zusammen, die sehr Kosten- und Economies of Scale-orientiert ist. Die Vision der SAD ist es, diese Strukturen im IT-Sourcing Markt nach und nach zu verändern mit dem Ziel, den großen Unternehmen die Innovationskraft des Mittelstandes zugänglich zu machen. Und zwar indem wir den kleineren IT-Dienstleistern eine intelligente Form der Zusammenarbeit ermöglichen.
Norbert Spangenberg: Wenn große Unternehmen heute IT-Expertise einkaufen, läuft dies über große Rahmenverträge. Das ist sehr gesteuert vom Einkauf, weniger von den Bedarfsträgern. Auf der Anbieterseite gibt es entsprechend große „Body Leasing“-Anbieter – das ist aber nicht unser Ansatz. Wir wollen mit dem Kunden auf Augenhöhe sprechen, diskutieren, wie wir Projekte beim Kunden effektiv vorantreiben können. Unsere Mitarbeiter sind bei uns angestellt, bilden sich immer wieder weiter, gewinnen in jedem Kundenprojekt neue Erfahrungen – das ist ein ganz wesentlicher Antrieb für sie im Job. Sie sind überwiegend in einem Alter, in dem sie Dinge bewegen wollen, Innovation vorantreiben. Durch die Allianz mit der SAD haben wir die Möglichkeit, unsere Expertise bei größeren Kunden und Projekten besser zu positionieren – ich betrachte das als große Chance.
Welche Trends in IT-Projekten & Innovationsthemen setzen sich durch?
Patrick Postel: Ich bin überzeugt davon, dass SaaS weiterhin boomen wird. Zudem wird die Ablösung von On Premise-Lösungen durch SaaS weiter voranschreiten. Das wird in den nächsten Jahren noch viel Ressourcen in den IT-Abteilungen binden. Es verändert sich die Art und Weise, wie Software entwickelt und betreut wird – da sind wir wieder beim Thema New Work, Agiles Projektmanagement und DevOps. Früher haben wir monatelange Deployment Freezes erlebt, das ist heute völlig anders. Und wir stehen erst am Anfang dieser Veränderungen – nach und nach setzt sich in den Unternehmen eine neue Art zu Denken durch.
In der aktuellen Krise zeigt sich, dass Geschäftsmodelle, die bereits vor der Krise auf wackeligen Beinen standen, nun gar nicht mehr funktionieren. Ich glaube, dass der strukturelle Wandel durch Corona noch beschleunigt wird. Hierauf müssen wir als Gesellschaft eine Antwort finden. Starke Geschäftsmodelle, wie das von Amazon, profitieren von der aktuellen Krise. Dadurch entstehen aber nicht zwangsläufig ausreichend neue Arbeitsplätze, die den Stellenabbau, der gerade an anderen Stellen stattfindet, aufzufangen. Als Gesellschaft müssen wir nach der Krise sehr genau schauen, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt hat und wie wir uns unsere Zukunft gestalten wollen.
Norbert Spangenberg: Heute gibt es bereits in fast allen Entwicklungsteams einen agilen Projektansatz – auch wenn nicht alles agil ist, wo agil draufsteht. Das ist anders als noch vor einigen Jahren, als nur vereinzelte Teams einen agilen Ansatz verfolgt haben. In der Software-Entwicklung und selbst in klassischen Enterprise Java-Projekten erleben wir durch die agilen Methoden eine starke Fragmentierung der Teams. Es wird insgesamt komplexer – egal ob Frontend, Backend, DevOps, Cloud oder SaaS. Viele Unternehmen können dies mit internen Ressourcen nicht mehr bewältigen. Mit der SAD kommen wir sicherlich auch stärker dahin, dass wir Teilprojekte oder ganze Projekte, zum Beispiel im Sinne einer Java Factory, komplett übernehmen können. Die agilen Projektmethoden mit ihren Entwicklungs-Sprints sind da durchaus hilfreich.
Ein Thema mit wachsender Bedeutung bei unseren Kunden ist die Einführung von Software Robotern, die sogenannte Robotic Process Automation (RPA), und zwar branchenübergreifend. Die RPA-Technologien der verschiedenen Softwareanbieter sind inzwischen sehr stark entwickelt und bieten sehr viel Potenzial. Immer mehr Unternehmen erkennen inzwischen, dass RPA-Projekte mit durchschnittlichen Projektlaufzeiten von etwa 6 Monaten einen schnellen ROI bieten. Dieser RPA Trend wird sich nach meiner Einschätzung in den kommenden Monaten und Jahren noch verstärken.
Eine ähnlich positive Entwicklung sehen wir im Bereich der elektronischen Unterschrift, die auch pandemiebedingt einen spürbaren Wachstumsschub bekommen hat. Papierlos unterschreiben wird sicherlich auch ein Trend sein, der sich nachhaltig durchsetzen wird – nicht nur im Home-Office.
Persönliche „Lessons learned“ aus der aktuellen Pandemie?
Patrick Postel: Ich habe das Gefühl, dass ein positiver Ruck durch weite Teile der Gesellschaft gegangen ist, geprägt von mehr Respekt und Rücksichtnahme. Das werde ich zumindest für mich persönlich mitnehmen und bewahren. Ach so, und ich glaube, dass das „Sie“ auf der Strecke bleiben wird, zumindest langfristig. Irgendwie sind wir alle näher zusammengerückt durch die Pandemie.
Norbert Spangenberg: Obwohl sich viele Dinge massiv verändert haben – in beruflicher als auch privater Hinsicht – die Erkenntnis, dass wir bisher gemeinsam gut durch die Krise gekommen sind. Das zeigt mir: auf den Zusammenhalt kommt es an! Auch wenn wir dies vorher vielleicht bereits theoretisch gewusst haben, haben wir es nun erlebt. Daraus ziehe ich die Zuversicht und das Vertrauen, dass wir viele Herausforderungen gemeinsam meistern können.
Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Kirsten Degner, Marketing-Referentin Aequitas Software
Über die Softwareallianz
Die Softwareallianz Deutschland GmbH ist ein im Jahr 2020 gegründetes Unternehmen mit einem einzigartigen digitalen Geschäftsmodell: Unser Geschäft ist es, die Kompetenz und Innovationskraft mittelständischer IT-Dienstleister und ihrer Mitarbeiter in IT-Projekte einzubringen. Das Unternehmen wächst stetig und hat rund 150 Partner mit mehr als 10.000 IT-Spezialisten. Das Portfolio deckt alle notwendigen Kompetenzen von IT-Beratung über Softwareentwicklung bis hin zum Betrieb ab. Sie fungiert als formaler Zusammenschluss von mittelständischen IT-Dienstleistern und verfolgt das Ziel, Unternehmen und Organisationen bei der Umsetzung komplexer digitaler Projekte zu beraten und zu unterstützen.
Über Aequitas Software
Als IT-Beratung begleiten wir seit 2015 Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse. Mit unserem qualifizierten 25-köpfigen Team bieten wir Projektunterstützung und IT-Beratung in anspruchsvollen IT-Projekten. Unsere Schwerpunkte liegen in den Bereichen Software-Architektur, Software-Entwicklung, Software-Testing und Client Management. Gemeinsam mit etablierten Partnern bieten wir zudem innovative Software-Lösungen – von Robotic Process Automation (RPA) über die Elektronische Unterschrift bis hin zu Workflow Automation. Aequitas Software gehört zur international tätigen Aequitas Group mit mehr als 450 international tätigen Beraterinnen und Beratern für Business und IT. So können wir unser Team in der IT-Beratung bei Bedarf jederzeit flexibel erweitern.